Die Bauzinsen haben sich seit Anfang des Jahres verdreifacht – zusätzlich zu steigenden Baukosten und hohen Immobilienpreisen ist diese Entwicklung für potenzielle Immobilienkäufer eine verheerende Mischung. Was er Eigenheim-Interessierten nun rät, berichtet Baufinanzierungs-Spezialist Armin Diebold im procontra-Interview.
procontra: Laut Savills haben die Deutschen zuletzt deutlich weniger Wohnhäuser gekauft als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Haben die hohen Immobilienpreise, die steigenden Baukosten und -zinsen Immobilien unattraktiver gemacht?
Armin Diebold: Im vergangenen Jahr war die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen bei mir so hoch, dass ich kaum mit deren Bearbeitung hinterhergekommen bin – heute ist hingegen eine deutlich sinkende Nachfrage feststellbar. Ich glaube aber nicht, dass Immobilien unattraktiver geworden sind – die Kunden müssen ihre Entscheidung, eine Immobilie zu kaufen, angesichts der Preise jedoch wesentlich stärker abwiegen. Den größten Einfluss haben hier sicherlich die steigenden Bauzinsen, die sich seit Jahresbeginn verdreifacht haben. Für einen Eigenheimbesitzer, der eine Finanzierung über 500.000 Euro abgeschlossen hat, würde das eine monatliche Mehrbelastung in Höhe von 1.000 Euro bedeuten – das ist für viele schlicht und einfach nicht mehr zu stemmen. Feststellbar ist aber auch, dass Menschen, die die Immobilien in erster Linie als Kapitalanlage betrachten, weiter kaufen.
procontra: Was raten Sie denjenigen, die jetzt noch eine Immobilie finanzieren wollen?
Diebold: Nach wie vor ist die Planung das A und O bei der Baufinanzierung. Die Baukosten sollten sehr sorgfältig geplant werden. Das ist zugegeben momentan nicht einfach, da ja derzeit auch die Baukosten explodieren.
Ratsam ist es zudem, nicht sämtliches Eigenkapital einzuplanen. Lieber sollte ein finanzieller Puffer vorgehalten werden, auch wenn man dadurch einen höheren Zins in Kauf nimmt. Aber nichts ist so teuer für den Kunden wie die Nachfinanzierung.
procontra: Raten Sie Ihren Kunden derzeit zu längeren Zinsbindungen?
Diebold: Über die Zinsbindung entscheidet stets das jeweilige Bauchgefühl sowie der Geldbeutel. Ich persönlich tendiere schon seit einiger Zeit zur längerfristigen Zinsbindung, da absehbar war, dass die Bauzinsen nicht dauerhaft so niedrig bleiben können. Allerdings muss eine längerfristige Zinsbindung für den Kunden natürlich auch finanziell tragbar sein.
procontra: Glauben Sie denn an weiter steigende Bauzinsen?
Diebold: Hier muss ich auch meinen Kunden stets sagen: Meine Glaskugel befindet sich bereits im Sommerurlaub. Die jüngsten Entwicklungen, die sich auch auf die Bauzinsentwicklung niederschlagen, wie der Krieg in der Ukraine, die Zinsentscheidung der EZB, die enorm hohe Inflation, waren kaum vorhersehbar – wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Ich kann nur auf sinkende Zinsen hoffen, da sonst die Finanzierung eines Eigenheims für viele Otto-Normal-Verbraucher nahezu unmöglich werden dürfte.
procontra: Sollten die Zinsen tatsächlich wieder sinken, wäre eine langfristige Zinsbindung dann nicht kontraproduktiv?
Diebold: Nein. Sobald eine Baufinanzierung zehn Jahre läuft, besteht für den Kunden mit einer Frist von sechs Monaten ein Sonderkündigungsrecht. Dann hat man vielleicht etwas mehr Geld bezahlt, hat jedoch eine Zinssicherheit und weniger Zinsrisiko.
procontra: Angesichts der rasant steigenden Bauzinsen könnten Menschen zur Entscheidung gelangen, auch ohne jegliches Eigenkapital eine Immobilie zu finanzieren. Viele Banken werben derzeit mit Vollfinanzierungen – ist das aus Ihrer Sicht ein empfehlenswerter Weg?
Diebold: Hier muss man noch einmal differenzieren zwischen Vollfinanzierungen, die nur den Kaufpreis abdecken und solchen, die auch die anfallenden Nebenkosten einschließen. Von zweiter Option bin ich absolut kein Freund, die erste Option kann unter Umständen ab und an mal Sinn machen, beispielsweise wenn es um die „Chance seines Lebens“ für den Kunden geht. Allerdings sollten sich die Kunden des hohen Risikos bewusst sein.
procontra: Muss man in der Beratung auch so ehrlich sein, dem Kunden zu sagen, dass eine Immobilie für ihn finanziell derzeit nicht infrage kommt?
Diebold: Ehrlichkeit und Transparenz stehen für mich an erster Stelle in der Beratung. Dass eine Immobilienfinanzierung überhaupt nicht möglich war, ist bei mir im Beratungsalltag noch nicht vorgekommen – wohl aber, dass man den Kunden überzeugen musste, seine Wünsche merklich abzuspecken. Vielleicht wird es dann statt dem erträumten freistehenden Einfamilienhaus mit großem Garten nur das Reihenhaus oder die Eigentumswohnung, aber die ist dafür finanzierbar. Kunden sollten sich den Hals finanziell nicht zu arg zuschnüren. Schließlich läuft eine Immobilienfinanzierung über Jahrzehnte – in der Zeit wollen die Menschen aber auch was unternehmen, verreisen und brauchen eventuell auch Rücklagen für die Instandhaltung des Gebäudes.
procontra: Eine Option wäre natürlich auch, in Regionen zu schauen, in denen Häuser noch bezahlbar sind.
Diebold: Bei uns im Rhein-Neckar-Kreis sind die Preise sehr hoch – 50 Kilometer weiter östlich im Odenwald gibt es hingegen durchaus noch Schnäppchen. In Zeiten von Home Office ist eine örtliche Flexibilität natürlich einfacher möglich – allerdings muss der Kunde für sich entscheiden, ob er wirklich woanders wohnen möchte.
Zum Interviewpartner: Armin Diebold ist seit zehn Jahren in der Finanzbranche tätig. Nach einer Ausbildung bei einer regionalen Sparkasse machte sich der Wieslocher (Rhein-Neckar-Kreis) 2018 selbstständig und ist seitdem als Makler tätig, der sich auf die Themen Baufinanzierung sowie um Versicherungsschutz rund um Immobilien spezialisiert hat.
Wozu er Immobilienkäufern derzeit rät, berichtet Baufinanzierungsexperte Armin Diebold im procontra-Interview. Bild: Privat