Die Linkspartei, die Grünen und die SPD wollen eine Bürgerversicherung in der Rentenversicherung. Dafür wollen die Parteien aus dem linken Parteienspektrum alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Im SPD-Wahlprogramm für die Bundestagswahl heißt es diesbezüglich beispielsweise: „Solidarität in der Alterssicherung bedeutet für uns zudem, dass auch die Selbstständigen, Beamt*innen, freien Berufe und Mandatsträger*innen der gesetzlichen Rentenversicherung angehören. Es ist an der Zeit […] die Sondersysteme auf lange Sicht zu überwinden.“ Gleichzeitig soll das Rentenniveau der betroffenen Beamten dadurch jedoch nicht sinken.
Bundesarbeitsminister plädiert für Bürgerversicherung
Hubertus Heil hat gegenüber der Funke-Mediengruppe nun die Forderung nach einer Erwerbstätigenrente untermauert. Im Interview sagte der Bundesarbeitsminister und SPD-Politiker: „Generell finde ich es richtig, darüber nachzudenken, im Laufe der Zeit alle in einer Erwerbstätigenversicherung zu vereinen.“
Bürgerversicherung soll Rentenkasse stabilisieren
Von der Einbeziehung der gut abgesicherten Beamten und der generellen Abkehr von Sondersystemen in der Alterssicherung versprechen sich die Anhänger einer Bürgerversicherung eine Abmilderung der demografischen Unwucht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gerade mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in die Rentenbezugsphase wird die gesetzliche Altersvorsorge vor eine Belastungsprobe gestellt.
Alles nur Wahlkampfrhetorik?
Der Rentenexperte und Chefökonom des Handelsblatts, Prof. Dr. Bert Rürup, hält die Pläne der SPD für reine Wahlkampfrhetorik. Seiner Ansicht nach würde die Integration der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung allein schon an den hohen Kosten scheitern, und Hubertus Heil – als ausgewiesener Sozialexperte – wisse das auch
Integration der Beamten wäre teuer
In einem für das Handelsblatt verfassten Kommentar geht der Rentenexperte auf die Gründe ein, weshalb die Integration der Beamten in die gesetzliche Altersvorsorge zu teuer werden würde. Seine Argumentation gründet Rürup hauptsächlich auf die hohen gesetzlichen Hürden beim Umstieg und auf die durchschnittliche Lebenserwartung der betroffenen Staatsdiener.
Beamtenstatus für Beschäftigte mit hoheitlichen Aufgaben
Zunächst plädiert Rürup dafür, hoheitliche Aufgaben weiterhin von Beamten verrichten zu lassen. Demnach sollten Polizisten, Soldaten, Staatsanwälte und Richter weiterhin im Beamtenstatus verbleiben. Dementsprechend reduziere sich das Potenzial an Stellen, die in ein Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst überführt werden könnten, auf rund eine Million.
Grundgesetz schützt Versorgungsansprüche
Eine Überführung von bestehenden Beamten- in Angestelltenverhältnisse erachtet der Rentenexperte jedoch als nahezu unmöglich. Immerhin seien die bisherigen Ansprüche von Beamten durch das Grundgesetz geschützt. Realpolitisch hält Rürup deshalb einzig die Besetzung frei werdender Positionen mit Angestellten für möglich. Durch diese Maßnahme könne der Staat jedoch keine Steuergelder einsparen.
Kosten würden zunächst steigen
Die Personalkosten für die öffentlichen Arbeitgeber würden im Gegenteil bei der Neubesetzung mit Angestellten zunächst steigen. Immerhin müssten die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung sowie die Beiträge zur Zusatzversorgung von den Dienstherren übernommen werden. Im Gegenzug entfielen zwar auch die Beihilfeleistungen im Krankheitsfall und die künftigen Pensionen. Diese würden sich jedoch erst viele Jahrzehnte später maßgeblich auswirken.
Höhere Lebenserwartung
Das zweite Argument von Rürup zielt auf die durchschnittliche Lebenserwartung der Beamten ab. Die sei nämlich höher als die der Gesamtbevölkerung, was unter anderem mit dem höheren Bildungs- und Qualifikationsniveau der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zusammenhänge. Die daraus resultierende längere Bezugsphase im Alter stelle für die gesetzliche Rentenversicherung eine zusätzliche Belastung dar.
Forderung stellt lediglich Wahlkampfrhetorik dar
Langfristig würde eine derartige Ausweitung des Versichertenkreises die umlagefinanzierte Rentenversicherung also sogar noch weiter belasten, konstatiert der Rentenexperte. Die Forderung von Hubertus Heil sei deshalb lediglich als Wahlkampfrhetorik zu verstehen und kein fundierter Beitrag, um die Finanzen der gesetzlichen Alterssicherung auf eine solidere Basis zu stellen. (tku)
Die kompletten Ausführungen von Prof. Dr. Rürup können hier auf der Seite des Handelsblatts nachgelesen werden.
Artikel aus Asscompact 02.08.2021